Der Begriff Faszien liegt momentan voll im Trend. Es wird gerollt und getriggert, aber was sind die Faszien eigentlich? Ist das nur wieder ein Hype, der bald wieder verschwindet oder steckt da mehr dahinter?
Noch vor wenigen Jahren wurde das Bindegewebe als loser Füllstoff abgetan. In Anatomiekursen wurde die Faszie lange Zeit wegpräpariert. Erst 2012 erschien der erste Faszienanatomieatlas von Carla Stecco. Die Faszienforschung steckt noch in den Kinderschuhen, aber wir wissen schon jetzt sehr viel über dieses unterschätzte und den ganzen Körper umspannende Netzwerk. Faszien sind unser 6. Sinn, sie werden auch als Sinnesorgan der Körperwahrnehmung bezeichnet. Sie umhüllen jede Muskelfaser, jeden Muskel, verbinden die Muskeln untereinander, geben Form und Struktur. Man kann sich das Fasziengewebe wie die dünne weiße Haut einer Orange vorstellen. Ohne die Faszien würde die Muskulatur, die ja auch Großteiles aus Wasser besteht, als zähe Masse zerfließen. Erst die Faszien geben der Muskulatur und unserem Körper die Form! Die große Fascia superficialis umspannt den Körper beispielsweise wie ein Ganzkörpertaucheranzug. Unvorstellbar elastisch, dünn und doch reiß- und zugfest. Ein wahres Wunderwerk!
Faszien geben nicht nur Form, sie dienen auch der Kraftspeicherung und der Kraftübertragung. Das Känguru ist uns in der Sprungkraft haushoch überlegen, und das liegt nicht an der höheren Muskelkraft, sondern am elastischen Dehnungs-Verkürzungs-Zyklus der myofaszialen Strukturen rund um die Achillessehne. Diese wirken wie ein Katapult und ermöglichen meterweite Sprünge. Doch auch unsere Faszien weisen eine enorm hohe Elastizität und Spannkraft auf und ermöglichen uns das kilometerlange Laufen und Springen. Andere Primaten hingegen verfügen über weit weniger elastische Strukturen im Bereich der Achillessehne und des Unterschenkels und tun sich da viel schwerer. Evolutionär bedingt erwies sich dies für unsere Entwicklung als enormer Vorteil und setzte sich durch.
Faszienelastizität wird bestimmt durch den Lebensstil (Quelle: Schleip R.)
Heute setzen wir diese Fähigkeiten jedoch viel zu selten ein. Die Faszien bleiben geschmeidig, wenn reger Flüssigkeitsaustausch im Gewebe stattfindet und hier spielt wiederum die Bewegung eine wesentliche Rolle. Fällt die fasziale Bewegung allerdings weg, damit sind vor allem federnde und schwingende Bewegungen im vollen Bewegungsumfang der Gelenke gemeint (Springen, Tanzen, Klettern, Krabbeln etc.), beginnen die Faszien zu verfilzen und das myofasziale System wird steif und unelastisch. Das Verletzungsrisiko steigt und die Beweglichkeit ist eingeschränkt.
Zusätzlich leiten Faszien Reize und Informationen weiter, sie sind wahrlich unser 6.Sinn. In den Faszien sitzen Millionen von Nervenzellen. Kein anderes Gewebe ist dichter mit Nervenzellen besiedelt. Damit sind die Faszien auch verantwortlich für die Körper- und Schmerzwahrnehmung. Muskelfaserrisse und Muskelverletzungen sind hauptsächlich Faszienverletzungen. In Studien hat man Salzlösungen in den Muskel oder ins Epimysium, die Muskelhülle injiziert. Jene mit der Salzlösung im Epimysium hatten signifikant höheren Muskelkater! Faszienspannung und verfilzte Faszien spielen bei der Entstehung von chronischen orthopädischen Schmerzbildern eine zentrale Rolle, eben auf Grund der Vielzahl an freien Nervenendigungen, die sie beinhalten!
Faszientraining für Jung & Junggeblieben. Auch Sportler haben durch einseitige Belastungen oft verfilzte Faszien.
Faszientraining kennt keine Altersgrenzen. Die Hauptursache für das Verfilzen der Faszien ist aber nicht das Älter werden an sich, sondern, dass wir uns immer weniger und einseitiger bewegen. Jeder, der einen sitzenden Berufsalltag hat, all jene, die immer wiederkehrende Belastungen in Beruf und Sport haben. Egal ob Kellner oder Radfahrer, alle werden profitieren und neue Geschmeidigkeit in ihrer Bewegung erhalten und damit auch ein wertvolles Werkzeug zum Selbstmanangement von Schmerzen und lästigen Beschwerden kennen lernen.
Die Faszien benötigen vielseitige Bewegung. Laufen, Springen, Klettern, Tanzen, Rollen, Krabbeln in unterschiedlichsten Richtungen und Winkeln. Wir brauchen den täglichen Ausgleich zu unseren Alltagsbelastungen, um damit die Faszien elastisch zu halten und der Entwicklung von chronischen Beschwerden wie Rückenschmerzen, Hüftarthrose, Hals-Nacken-Schulter-Beschwerden etc. entgegen zu wirken. Ich spreche hier gerne von der täglichen Muskel- und Faszienhygiene mit vielseitigen und abwechslungsreichen Bewegungen.
15 Minuten Krabbeln, Rollen, Federn, Rückbeugen, Klettern all das was wir vielleicht in den letzten Jahren verlernt und vergessen haben. Faszientraining macht Spaß und erweckt das innere Kind wieder zum Leben!
Wenn schon ein Problem vorliegt, heißt es gezielter hinzuschauen und dann sind die Faszienrolle und der Faszienball die idealen Begleiter. Meine Erfahrung als Sportwissenschafter zeigt, dass kaum jemand mehr locker, leicht und beschwerdefrei durch den Alltag kommt. Der Faszienball gehört daher auf jeden Bürotisch! Mit diesem Hilfsmittel lassen sich Verspannungen und chronische Beschwerden wieder auflösen. Zunächst empfiehlt es sich die Übungen für das persönliche Beschwerdebild unter Anleitung durchzuführen. Man spürt schnell positive Effekte und hat bald den Dreh raus, um wieder Eigenverantwortung für die eigene Gesundheit zu übernehmen und die Übungen auch selbstständig als persönliche Faszienhygiene durchzuführen.
MovEvo biete im Wintersemester 2020/21 einen regelmäßigen Kurs an. Sei dabei und werde zum Faszienpionier in Villach!
Wann: Jeden Mittwoch von 17:00 bis 18:00
Wo: Turnsaal der Volksschule Völkendorf
Direkt per Mail oder Facebook/Insta/Whats App anmelden
Start am 07.Oktober 2020!
Use it or Lose it!